Henry - geboren um zu leben!
Nach einer sehr schwierigen Schwangerschaft kam unser kleiner Kämpfer per eiliger Notsectio in SSW 24+3 zur Welt. Ich lag vorher schon über 2 Wochen im KH. Nach einem Fruchtblasenprolaps wurde mir eine Notcerclage gelegt, welche 3 Tage später aufgrund frühzeitiger Wehen gerissen ist. Schon in SSW 22+0 mussten wir sozusagen über Leben und Tod unseres noch ungeborenen Kindes entscheiden, nachdem Fruchtwasser abging. Mit maximaler Tokolyse, striktem Liegen in Raketenabschussposition (so nennen wir heute noch die Betteinstellung damals :-)) ) und Lungereifespritzen ab 24+0 haben wir uns Tag für Tag voran gekämpft.
In SSW 24+3 allerdings hatte ich einen kompletten Blasensprung mit auffälligem CTG und darauf folgte die eilige Notsectio. Henry kam sofort auf die KK01 und mein Mann durfte ca. 4 Stunden später das erste Mal einen Blick auf unser Kind erhaschen, bei mir dauerte es aufgrund meines labilen Kreislaufs bis Nachmittag.
Die Gefühle und die Machtlosigkeit, die man als Eltern dabei erlebt, kann man nicht beschreiben. Angst, Freude und Stolz zugleich bringen einen an den Rande der Verzweiflung. Das Gepiepse der Monitore, die ganzen Schläuche und Nadeln und vor allem dieses winzig kleine Wesen, welches von Anfang an so stark kämpfen musste, eine Achterbahn der Gefühle.
Henry war insgesamt 135 Tage im KH. Oft ging es 1 Schritt nach vorne, dafür 2 zurück. Ductus-Clip, mehrfach EK-Transfusionen, BPD°III-IV, leichte Plexusblutung, Retinopathie und Buphtalmus, Leistenhernien, KH-Keime – gefühlt alles nahm unser kleiner Kämpfer mit. Die KK01/KK02 waren lange unser Zuhause. Sie waren Tröster, Zuhörer, Aufmunterer und einfach nur unbezahlbar.
Keiner konnte uns sagen, wie er sich entwickelt, was noch auf uns zukommt, doch wir hatten von Anfang an versprochen, jeden Weg mit ihm zu gehen. Ihn bei allem zu unterstützen.
Eine Anästhesistin ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Ich seh sie heute noch vor uns stehen und sagen: „Egal wie sich ihr Kind entwickelt, egal was er von der extremen Frühgeburt zurück behält, lassen Sie sich niemals verunsichern. Vergleichen Sie Ihr Kind nicht mit anderen. Ihr Kind ist was ganz Besonderes. Es hat das Atmen gelernt, hat sich ganz tapfer ins Leben gekämpft. Es hat jetzt schon mehr gepackt als manch Erwachsener in seinem Leben.“
Und es entspricht der Wahrheit! Er hat später essen, krabbeln, laufen und sprechen gelernt wie andere Kinder – aber er geht seinen Weg in seinem eigenen Tempo. Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie und Augenklinik begleiten uns fast von Anfang an und die Therapeuten haben einen sehr großen Verdienst an seiner tollen Entwicklung. Mit 8 Monaten bekam er seine 1. Brille.
In Kürze wird er 6 Jahre alt, besucht einen Regelkindergarten, fährt Fahrrad und hat keinerlei Einschränkungen. Einzig die Größe und das Gewicht unterscheiden ihn heute von Gleichaltrigen.
Er hat sich von Anfang an ins Leben geboxt – unser kleiner Minimann! Unser ganzer Stolz!